Ein Bild einer aktiven, mutigen, entschlossenen, ehrlichen und herzlichen Frau: Angelika Volquartz.

Ist es Glück, den Mut zu haben, neue Wege zu gehen?

Angelika Grill ist im Jahre 1967 nach Kiel gekommen, um Geografie und Biologie auf Lehramt an der Christian-Albrechts-Universität zu studieren. Sie ist ein Mensch, der gern anpackt. Schnelle Schritte zu gehen, ist für sie nicht verkehrt. Alles hat einen Sinn. Sie schwebt durchs Leben. Ihren späteren Ehemann, Klaus Volquartz, lernte sie nach einem Monat in Kiel kennen. Für sie waren die nächsten Schritte, zu heiraten und eine Familie zu gründen, ganz natürlich.
Die Familie war das Glück. Den Mut zu haben, neue Wege zu gehen ist für sie bis heute selbstverständlich. Es ist die Familie, die dem Leben ein Wertegerüst gibt und die neue Möglichkeiten und Perspektiven öffnet.

Die Studentin und junge Mutter.

Zuerst Studium, dann Familie? Nicht bei Frau Volquartz. Die Lesungen, die Prüfungen, das Baby erforderten bei der Studentin an der Uni viel Improvisationskraft und die Unterstützung ihres Mannes, die sie immer bekam. „Er war ein unglaublich guter Vater, der sich für die Generation außergewöhnlich stark mitbeteiligt hat, weil er unsere Tochter sehr geliebt hat“. Auch von den Eltern, die in 200 km Entfernung wohnten, erhielt sie Unterstützung.

Ihre Eltern.

Ihre Mutter, die auch „Schwester Sonnenschein“ im Krankenhaus genannt wurde, in  dem sie arbeitete, zog sie mit allergrößter Liebe auf. Sie hat sie geprägt und ihr klare Haltungen sowie „preußische Tugenden“ vermittelt. Der Vater, ein Österreicher, ein „unglaublich fröhlicher Mensch, der die ganze Leichtigkeit des Seins in sich trug und die strengen Haltungen der Mutter auflockerte“, war für die lebensphilosophischen Fragen zuständig. Die Mitglieder der Familie haben verstanden: Mutti gibt die Regeln vor. So beschreibt Angelika Volquatz die Familie in ihrem Buch „Mein Herz schlägt in Kiel“, das im Wachholtz-Verlag erschien. „So bin ich groß geworden, unabhängig und selbständig“. Als sie später als Lehrerin in Mettenhof und als Schulleiterin in Elmschenhagen arbeitete und den Schüler*innen Halt gab, war sie eine nicht-autoritäre Autorität. Die Schützlinge schätzten ihren Stil: hart aber fair. Wenn jemand die Regeln einhält, hat er es im Leben leichter und braucht nicht die Hände auf den heißen Herd zu legen, um zu wissen, dass es weh tut.

Ihr Credo.

Die Zuversicht und Orientierung hatte sie von der Familie mitgenommen. Das Leben hält sich aber nicht an Programme, das Leben hat seine eigene Dynamik. Die Krisen kommen und man darf nicht hysterisch werden, sondern kann friedlich die Spannungen lösen. Ohne Kampf, nachsichtig die Welt verändern, Vertrauen aufbauen, das Soziale betonen. Das hat sich in ihrem Handeln und Denken ausgedrückt. Mit ihrem Team von „Mach Mittag“ hat sie für viele Schulkinder aus bedürftigen Familien dafür gesorgt, dass diese einen warmen Mittagstisch in der Schulmensa bekommen, finanziert durch Spenden. Die Initiative, die sie gemeinsam mit Klaus und Hannelore Murmann initiiert hatte, sammelte seit 2011 das Spendengeld. Seit dem 1. September 2019 bekommen alle bedürftigen Schulkinder in Deutschland eine warme Mahlzeit, nachdem das Parlament des Bundestags dem Gesetzentwurf des Arbeits- und Familienministeriums zugestimmt hat. Ein Traum für Frau Angelika Volquartz und viele Kinder im Schulalltag.

Die Politikerin.

Man muss im Leben improvisieren. Umschalten, umdenken, einen anderen Weg gehen, aus den Fehlern lernen und das Beste zustande bringen. Fühlen, dann entscheiden. „Chefin, was sagt Ihr Bauchgefühl?“ fragten die Berater*innen am Ende einer Debatte im Rathaus. „Gewisse Emotionalität ist nötig, nicht nur der Intelligenzquotient“, sagt die frühere Oberbürgermeisterin, die sich um das Wohl der Kielerinnen und Kieler kümmerte und volle Verantwortung gemeinsam mit der Ratsversammlung über ihre Beschlüsse für andere Menschen trug. Sie schätzte ihr Team sehr, welches aus kompetenten Frauen und Männern bestand, die sie beraten haben. Sie hatte viele männliche Förderer – und musste sich doch gleichzeitig gegen die Männerwelt in der Politik behaupten. Es war ein reiner Wettbewerb und sie hatte keine Schwierigkeiten sich durchzusetzen. Es zählten nur die Fähigkeiten. Sie war total für Gleichberechtigung und akzeptierte alle Wettbewerber*innen im Wahlkampf. Bei der Kommunalwahl im März 1990 errang sie das einzige direkte Ratsmandat für die CDU und damit begann sie ihre stolze Politkarriere.

Frauenrechtlerin.

Das Aufwachsen in der starken Familie, in der Gleichberechtigung von Anfang an eine große Rolle spielte, hat sie geprägt. „Warum bin ich so, wie ich bin?“ Diese Frage stellte sie sich im erwachsenen Leben, nachdem sie als Bildungspolitikerin in die Politik gegangen war und die Rechte der Frauen immer im Blick behielt. Wie war der Weg zu der Frau, die sie heute ist? Sie war schockiert, als ein führender Beamter des Kultusministeriums, bei dem sie sich nach Schulen für ihren Referendariats-Platz erkundigte, sagte, sie müsse nicht arbeiten. Sie führte mit ihm ein Kampfgespräch. Die dreijährige Tochter auf ihrem Schoß spürte, dass es sich um etwas Wichtiges handelte und saß ganz still. „Sie wollen wirklich arbeiten, sie wollen wirklich Lehrerin werden?“, wunderte sich der Beamte. Fassungslos hat sie zu Hause ihren Ehemann gefragt: „Wie ist das möglich, diese Einstellung?“

Frauen sind umsichtiger, denken umfassender, weiß sie heute. Handys zu bedienen, Computer zu benutzen und auf das Kind gleichzeitig aufzupassen – die Frauen machen dies tagtäglich: Sie sind echte Multitasking-Talente, meint Angelika Volquartz.

Die Gesellschaft hat sich verändert. Viele wollen, dass mehr Frauen die Wege in der Politik bestimmen. „Frauen machen sich anders um unsere Gesellschaft verdient als Männer, aber doch nicht weniger!“ sagte einmal Frau Schele, die Vorsitzende des Bundesverbandes für Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe sowie Mitgründerin des Frauennotruf Kiel e.V. und Geschäftsführerin der Petze, in einer ihrer Dankesreden.

Stark, aktiv und vernetzt.

Frauen sollten sich dem Wettkampf stellen und in der Politik ein Spiegelbild der Bevölkerung sein, wenn nicht anders möglich mit Hilfe der Frauenquote. „Darum brauchen wir immer noch engagierte Frauen, die die Gleichstellung in der Öffentlichkeit thematisieren. Das Umdenken muss schon zu Hause stattfinden, in starken Familien. Den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen, das müssen einige Frauen noch lernen“, sagte Angelika Volquartz. Ein Vorbild dafür ist eine starke Frau wie Angela Merkel.

Mit ihrem Ehrgeiz, frei und selbstbestimmt zu leben, hat sie bewiesen, dass sich Familie und Beruf miteinander vereinbaren lassen. Für ihr soziales Engagement für Kinder und Frauen wurde sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Heute ist Angelika Volquartz nach wie vor glücklich und ihre Familie hält weiter zusammen, auch wenn ihre Tochter mit ihrer Familie in Salzburg lebt und sie mit ihrem Mann in Kiel.

(Angelika Volquartz war 1992 bis 1998 Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages, 1998 bis 2003 Mitglied des Deutschen Bundestages, 2003 bis 2009 Oberbürgermeisterin von Kiel, 2000 bis 2010 Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. 2014 erhielt sie die Ehrenbürgerwürde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2018 das Bundesverdienstkreuz.)

Autor/Layout: Anna Orlowski
Fotos: Thomas W.
Illustrationen: L. Thein