„Dolby Surround“ war zum Ende des 19. Jahrhunderts, als man in Kiel begann, „Kino“ zu entdecken, noch kein Thema. Da die Filme zu der Zeit alle noch stumm waren, wurde Musik mit der Hand gemacht. Oft war es nur eine Orgel, die die Dramatik des Dargebotenen unterstützen und die knatternden Projektoren übertönen sollte, doch große Lichtspielhäuser wie „Billströms Lichtspiele“ in der Brunswiker Straße 25 warben schon 1912 mit einem eigenen Hausorchester – und der Filmerklärer sorgte dafür, dass das Publikum auch verstand, was da über die Leinwand flimmerte.
In den Anfängen bestand „Film“ nur aus diversen Filmschnippeln – maximal eine Minute lang – die hintereinander gezeigt wurden, welche man heute als „Doku“ betiteln würde: Unhörbar brüllende Löwen, Eskimos am Nordpol oder Indianer auf dem Kriegspfad, die das Publikum zum Staunen brachten. Die Eintrittspreise waren happig und entsprachen der heutigen Kaufkraft von knapp 20 Euro.
Ab 1895 wurden erste Filme gezeigt. Sie waren noch unter dreißig Minuten lang und enthielten schlichte Alltagsdarstellungen. Der erste Film überhaupt zeigte Menschen beim Verlassen einer Fabrikhalle und war eine Sensation! Der erste Spielfilm entstand 1903 mit dem 12-minütigen „Der große Eisenbahnraub“.
Filmstreifen
Die Ursprünge des Kinos finden sich auf Jahrmärkten, auf denen mit Stereoskopen sogar dreidimensionale Bilder gezeigt werden konnten, und mit dem Kaiserpanorama konnten bis zu zwanzig Personen gleichzeitig durch Gucklöcher mehrere Bilder in Reihe bestaunen. Aus diesen „Panoptiken“ entstanden in der Folge die ersten Wanderkinos, durch die dann die Bewegtbilder langsam und stetig Einzug in Varietés und Kleintheater hielten.
Die erste Filmvorführung Kiels – damals nannte man sie „Lebende Photographie“, dann „Darbietung kinematografischer Bilder“ – fand am 1. Oktober 1896 in der „Kaiserkrone“ statt, einem Varieté, das sich im Breiten Weg in der Brunswik befand und 1910 zum Kino wurde. Bis zur Eröffnung des „CinemaxX“ im Jahre 1995 erlebte Kiel fast 100 Kinos.
1914, in einer Zeit, als Filmtheater zu boomen begannen, entstand Kiels ältestes Kino, das „Studio“ am Standort des ehemaligen Arresthauses der Polizei. Damals ritten zwar auch schon Helden über die Leinwand, doch der wahre Held stand hinter dem Projektor. Die Filmvorführung entsprach einem Himmelfahrtskommando, denn die Filmrollen (noch bis 1950) waren hoch brennbar, dennoch brachten nur dicke, glühende Kohlestäbe genug Licht, um den Film auf die Leinwand zu projizieren.
Um diese Zeit entstanden auch erste Warnungen vor dem Sitten- und Werteverfall, der Verrohung und der Konkurrenz zwischen Theatern und Kinematographen. Selbst Kurt Tucholsky warnte vor dem „Verlieren in Illusionswelten“ und rief nach Filmzensur, die dann auch kam: Anfangs entschied die örtliche Obrigkeit bei der Erstaufführung, ob ein Film weiterhin gezeigt werden könne. Ab 1906 musste ein Film der Zentralen Polizeibehörde vorgelegt werden und es wurde eine „Zensurkarte“ ausgehändigt. Die Nationalsozialisten veränderten das Zensurgesetz zur Willkür, um auch unliebsame Filme ausschließen zu können.
Filmstreifen
Bei der Schaffung des Grundgesetzes der neuen Bundesrepublik verzichtete man gänzlich auf Zensur und verbot sie sogar. Allerdings wurde 1949 die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) eingerichtet, die die Altersfreigabe von Filmen in jeder Form regelt. Die Grenzen eines Films – oder auch der jedes anderen Text-, Bild- oder Tonbeitrages – werden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) gesetzt, die jedoch nur auf Antrag indizieren kann und sowohl Vorführung als auch Verbreitung einschränken oder verbieten kann.
Ähnliches tat sich in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts. Die Jugendlichen strömten am Sonntagvormittag um 10 Uhr ins „Junior-Kino“ im Central, im Metro und in der Brücke oder saßen wochentags – Rauchringe blasend – in der Raucherloge des Savoy-Kinos in der Holstenstraße und genossen die kostenlosen mittäglichen Vorführungen sämtlicher Vorfilme (heute: „Trailer“) aller Kieler Kinos in der Hoffnung, Einblicke in den „Schulmädchen-Report“ zu erhaschen, während vor der Tür auf dem Asmus-Bremer-Platz erwachsene Kieler_innen gegen die Absetzung des (damals) hocherotischen Films „Emanuelle – Die Schule der Lust“ demonstrierten. Heute sind die „Anforderungen“ an einen indizierten Film wesentlich höher.
Central Kino, Eckernförder Str. 20, Kiel
Central Kino, Eckernförder Str. 20, Kiel
Foto: Stadtarchiv Kiel 2.3 Magnussen67593

Auch die Kinos haben im Laufe der Zeit mehrfach Wandlungen vollzogen und meisterten so manche Krise. Die große Zeit der Kinos dauerte knapp 50 Jahre, dann kam der Fernseher, später das Video, dann das Internet. Die Kinos wurden kleiner, aber auch vielfältiger. Aus großen Sälen wurden „Schachtelkinos“, es gab Auto- und Freiluft kinos – eine neue Kinolandschaft entstand. Neben ökonomisch ausgerichteten großen Kinocentern bewiesen immer mehr Kinobesitzer_innen, dass Persönlichkeit eine bessere Existenzgrundlage war als Konkurrenz.

In Kiel gibt’s in diesem Sinne einige bemerkenswerte Kinos: Das „Studio“ mit drei regulären Sälen und vielfältigem, aktuellem Programm, das preislich erheblich erschwinglicher ist als das der großen Kommerzkinos und das sogar zum sonntäglichen kostenlosen Tatort einlädt. Oder das „Metro“, eher das „Familienkino“, das sogar Live-Veranstaltungen bietet. Die „Pumpe“ als erlesenes Programmkino, das „Traum-Kino“ der Traumfabrik mit einem interessanten Programm, das sich selbst vor Dokumentationen und originalsprachigen Filmen nicht scheut und einem „Kinder-Kino“ am Wochenende, oder der „Hansafilmpalast“, der mit einem großen Namen für einen 50-sitzigen Saal wirbt, und das eher private „Bunker-Kino“ der Fachhochschule mit angeschlossenem Café … Alle diese Kinos haben nicht den Komfort der heutigen großen Kinopaläste, punkten aber mit Ideen, Persönlichkeit und sehr sympathischen Preisen.

Text : Robert Kühl · Foto: Stadtarchiv Kiel 2.3 Magnussen67593