Im Rahmen der Themenfindung für dieses Heft entbrannte in unserer Redaktion eine stürmische Diskussion über Ernährung. Im Rahmen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist Ernährung ein wichtiger und wirkungsvoller Aspekt. Anja warf ein: durch vegane Ernährung würde Tierleid gemindert und menschliche Gesundheit gefördert. Sie stellte die provokante Frage: „Aber wer traut sich schon, sich vier Wochen vegan zu ernähren?“ Zunächst stimmte Max zu, der dann aber in den Kindergarten musste (aus beruflichen Gründen, versteht sich).
Die Suche nach einem Versuchskaninchen ging weiter. Durch die Lektüre des Buches: „Anständig essen“ von Karen Duve, kam ich erneut im Vorfelde mit dem Thema in Berührung. So erklärte ich mich bereit. Ja, ich wollte mich vier Wochen vegan ernähren.
Anja, erfahrene Veganerin, stand mir mit Rat und Tat zur Seite und arbeitete praktikable Pläne für die kommenden Wochen aus.

Erste Woche – Vegan für Anfänger*innen
Nun, hatte ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt? Jetzt stand ich im Wort und die erste Woche war ganz gewiss eine Herausforderung. Ich zog los mit meiner Übersicht über vegane Wurst- und Käsesorten und suchte verschiedene Einkaufsquellen (Supermärkte, das Veganski, Biomärkte) auf. Die Produkte fand ich relativ problemlos, jedoch musste ich beim Einkauf im Supermarkt mehr Zeit einplanen. Der Schwerpunkt der ersten Woche lag bei Besorgungen von Fertigprodukten. Das meiste fand ich geschmacklich ok, lediglich der Aufstrich Spinat/Walnuss, das hatte ich mir anders vorgestellt. Nach der ersten Woche konnte ich sagen, ich habe nichts vermisst. Meine Verdauung verbesserte sich, ich trank mehr Tee und Wasser, generell stieg mein Appetit auf Obst und Gemüse. Die Fragen, die sich im Vorfelde stellten: Kann man davon satt werden? Schmecken diese Produkte? Diese Fragen konnte ich ohne Einwände mit ja beantworten.

Zweite Woche – Vegan für Fortgeschrittene
Kann man leckere vegane Aufstriche/ Müslis einfach und günstig selbst herstellen? Anja sparte nicht mit Rezepten. Hummus, Porridge de Luxe mit Gewürzen wie Zimt und Kardamon, Nüsse, Samen und Kerne, Avocadodip und Paprika-Cashew-Aufstrich. Hier traf ich auf intensive Geschmackswelten, in jedem Fall schmackhafter als Fertigprodukte. Zumal alle Zutaten frisch verarbeitet wurden und statt Essig frischer Zitronen- und Limettensaft verwendet wurden. Zur Grundausstattung der Küche gehören ein leistungsstarker Pürierstab, eine Gewürzmühle und eine Küchenmaschine. Hier setzt ein jeder unterschiedliche Prioritäten. Durch den Einsatz einer Küchenmaschine benötige ich keinen Pürierstab.
Angedacht war in den ersten zwei Wochen, dass lediglich der Brotaufstrich, bzw. dann Frühstück und Abendbrot vegan gestaltet werden sollten. Den sommerlichen Temperaturen war geschuldet, dass ich von Beginn an auf Fleisch und Fisch verzichtete. Bei krasser Ernährungsumstellung empfehle ich generell, sich mit dem Hausarzt oder anderen Fachleuten des Vertrauens auszutauschen.

Dritte Woche – Vegan für Erfahrene
Nun wurde es noch anspruchsvoller. Es gab Koch-Rezepte, die einfach zuzubereiten waren. Schmeckte das Mittagessen ohne Hack-Frikadellen, ohne Fisch und Geflügel? Fleisch wurde durch Sojaprodukte in verschiedenen Variationen oder durch Gemüse und Getreide ersetzt. Nach der Woche wurde ich befragt, wie es mir damit ginge. Meine Antwort: Sehr gut! Nachdem ich mir eine Grundausstattung an Lebensmitteln zulegte, brauchte ich nicht mehr ständig los zum Einkaufen. Ebenfalls fiel mir positiv auf: Regelmäßige Einkäufe von frischem Fisch und frischem Fleisch gehören der Vergangenheit an. Mir macht es besonders großen Spaß mit Kräutern und Gewürzen zu experimentieren. Ich entdecke richtige Geschmacksexplosionen!
Auch fragte mich Anja, wie mir vegane Ersatzprodukte gefallen (vegane Fischstäbchen, Schnitzel…). Ich stellte in der dritten Woche fest: Ich brauche keine Imitationen von Fisch und Fleisch. Für meinen nicht veganen Freundeskreis sind diese Ersatzprodukte aber gute, erste Berührungspunkte. An einem Wochenende hatte ich Besuch von einer Freundin und wir wollten, wie früher, Nuggets mit Pommes essen. Ich besorgte vegane Nuggets. Meine Freundin war total begeistert. „Die kaufe ich mir jetzt auch!“, lautete ihr Fazit. Auch vegane/vegetarische Pizzen finden oft großen Anklang bei Bekannten und Freunden.

Vierte Woche – Vegan für Expert*innen
Es folgte die letzte Woche meines Versuchs. Konnte ich überzeugt werden? Vegan kann man Feste feiern, lecker brunchen und liebe Menschen zum Essen einladen. Ich erhielt anspruchsvollere Rezepte, z. B. für ein Festtagsessen, 3-Gänge-Menü, Kuchen, Torte, Biskuit und viele andere leckere Sachen. Nach dieser Woche bat mich Anja erneut zum (letzten) Interview:
Anja: „Wie fühlst du dich nach einem Monat „vegan“?
Ich: „Gut. Ich habe ein besseres Allgemeinbefinden. Die Haut sieht besser aus und sie fühlt sich richtig gut an.“
Anja: „Was gefällt dir an der veganen Ernährung?“
Ich: „Ich probierte gern neue Gewürze aus und bin dadurch kreativer. Meine Zeit in der Küche hat sich gesteigert. Mir gefällt, dass ich weiß, was in meinem Essen ist.“
Anja: „Fehlt dir Fleisch?“
Ich: „Nein, ganz entgegengesetzt meiner anfänglichen Vorstellung fehlt mir Fleisch überhaupt nicht! Auch ohne Fisch kann ich gut leben. Mittlerweile sind mir teilweise die Gerüche von ehemals lebenden Tieren unangenehm.“
Anja: „Bist du jetzt Veganerin?“
Ich: „Vorerst ja, aber die Milch für meinen Kaffee fehlt mir. Als einzige brauchbare Alternative würde ich Barista-Hafermilch nehmen, die kann man sogar aufschäumen. Ansonsten nervt mich einfach, dass man nicht alles an einem Ort bekommt und ich viele verschiedene Läden aufsuchen muss. Und einige Produkte sind meiner Meinung nach überteuert.“
Anja: „Möchtest du noch etwas anderes anmerken?“
Ich: „Ja, unbedingt. Durch dieses Projekt bin ich achtsamer in Sachen Ernährung geworden, lese die Zutatenliste durch, achte auf weniger Salz und vermeide, soweit möglich, Zusatzstoffe.

Und heute, ein Jahr nach dem Versuch? Genug der Selbsttäuschung! Ja, ich esse nach wie vor weder Fisch noch Fleisch. Aber ohne Milchprodukte – ganz besonders Käse! – geht es nicht. Zum einen, weil veganer Käse wirklich teuer ist und zum anderen mich geschmacklich nicht überzeugt! Ein weiteres Geständnis, ich trinke den Kaffee am allerliebsten mit Kuhmilch. Also bin ich heutzutage überzeugte Vegetarierin.
Wichtig am Ende: Wer den veganen Weg geht, dem empfehlen Ärzt*innen und Biolog*innen dringend Vitamin B12 Gaben und regelmäßige Blutuntersuchungen (mindestens 1x im Jahr).