Wir hören es ständig irgendwo: Frauenquoten, Gleichstellung, …. Irgendwie konnte ich es schon länger nicht mehr hören. Ich habe mich gefragt, wie meine Generation ohne all diese Dinge ausgekommen ist und hielt die ganzen Aktionen zum Thema Frau für unnötig. Ich bin übrigens selbst eine Frau und alleinerziehende Mutter einer inzwischen erwachsenen Tochter. Dass das Leben nicht immer einfach ist, ist natürlich auch an mir nicht vorbeigezogen, aber ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass ich es schwerer habe, geschweige denn benachteiligt werde, weil ich eine Frau bin.

Nun hieß es in der Redaktion: Das nächste Journal wird ein Heft über Frauen in Kiel. Da lag es nahe, einmal die Fühler in Richtung Gleichstellungsbeauftragte auszustrecken und herauszufinden, worum es da eigentlich genau geht. Also bat ich die Gleichstellungsbeauftrage der Landeshauptstadt Kiel, Helga Rausch, um ein Interview. Gesagt, getan! Und so saß ich eines Tages im Neuen Rathaus mit vielen Fragen im Gepäck. Da ich keinerlei Vorstellung hatte, was mich erwartet, gefiel mir sofort die offene und sympathische Art von Frau Rausch, die es sehr einfach machte, sich über ihre doch sehr komplexe Arbeit zu unterhalten. Aber der Reihe nach.

Wo denn der Unterschied zwischen einer Frauen- und einer Gleichstellungsbeauftragten läge, wollte ich wissen. Überraschung: es gibt keinen! Es hat sich nur der Name geändert und eine Gleichstellungsbeauftragte berät genauso Männer, die benachteiligt werden. Dass aber ein Mann wiederum nicht Gleichstellungsbeauftragter in Schleswig Holstein werden kann, verwirrte mich dann doch. Aber so hat das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein 2017 entschieden. Diese Tätigkeit ist durch eine Frau zu bestellen, da Frauen nach wie vor strukturell benachteiligt seien.
Ab einer Einwohnerzahl von mehr als 15.000 Menschen hat die Gemeinde zur Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Mann und Frau eine Gleichstellungsbeauftragte zu stellen. Zweck ist zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die für beide Geschlechter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Gut, das hätten wir geklärt. Aber womit beschäftigt sich eine Gleichstellungsbeauftragte denn nun Tag für Tag? Mit der Gleichstellung aller Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Was sich erst einmal nicht weiter dramatisch anhört, ist doch breit gefächert und umfangreich. Sicher fehlte mir, bis ich mich mit dieser Thematik beschäftigt habe, das Bewusstsein, dass es noch sehr viel zu tun gibt, um Missstände zu beseitigen. Auch dies sei ein Teil ihrer Arbeit, verriet mir Frau Rausch. Den Blick schärfen für die vielen Missstände, die noch vorhanden sind in den Köpfen – die man einfach übersieht, weil es immer so war. So verdienen Frauen, die in gleichen Positionen wie Männer arbeiten, in der freien Wirtschaft immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen. Gleichzeitig wird es nicht immer gerne gesehen, wenn ein Mann in Elternzeit geht. Da gilt es, Gerechtigkeit herzustellen und dies ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten. Hier bringt sie sich durch Gespräche mit den Fraktionen und einzelnen Mitgliedern der Ratsversammlung sowie den Mitarbeiter*innen der Verwaltung und den Dezernatsleitungen ein. So kann sie auf geschlechtsspezifische Diskriminierung reagieren, bei der Planung von Maßnahmen unterstützen sowie mit konstuktiver Kritik begleiten.
Ein ganz großes Thema ist nach wie vor die Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Hierzu gibt es den Arbeitskreis „Gewalt gegen Frauen“, welcher sich regelmäßig im Referat für Gleichstellung trifft, um sich auszutauschen und Veranstaltungen zu organisieren. Menschen sollen dafür sensibilisiert werden, welche Ungerechtigkeiten noch existieren und ermutigt werden, hier Veränderungen herbei zu führen.
Zwei der Veranstaltungen finden jährlich statt: Die Herbstfeier im Labyrinth im Volkspark sowie „Gewalt kommt nicht in die Tüte“, die am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen im Citti-Park Kiel stattfindet. Hier werden hunderte Brötchen, die die Bäckerei Steiskal spendet, in Tüten gepackt und von Politiker*innen, Frauen der Frauenfacheinrichtungen, Organisationen und Verbänden sowie der Gleichstellungsbeauftragten verteilt. Auf diesen Tüten sind neben dem Motto der Aktion auch Adressen und Rufnummern von Anlaufstellen gedruckt, an die sich betroffene Frauen und Mädchen wenden können. Darunter ist auch das Hilfetelefon für Frauen in 17 Sprachen, das an 365 Tagen, 24 Stunden erreichbar ist.
Dies alles ist nur ein Bruchteil dessen, womit sich eine Gleichstellungsbeauftragte beschäftigt, und was für mich bislang als selbstverständlich galt, ist, wie mir gerade klar wird, der jahrelangen Arbeit all dieser Frauen zu verdanken. Und ich bin zu dem Fazit gekommen, dass unsere Gesellschaft Frauen wie Frau Rausch benötigt, um diese Rechte und Freiheiten, die wir Frauen heutzutage haben, zu verteidigen und weiter auszubauen. Gerade in der heutigen Zeit, in der es einen deutlichen politischen Rechtsruck in unserem Land gibt, benötigen wir Frauen. Frauen die beraten, helfen und darauf aufmerksam machen, wenn Parteien die Frauen gerne wieder in den alten Rollen sehen würden: Zu Hause am Herd und bitteschön nicht in Führungspositionen und schon gar nicht mit dem Mann gleichgestellt.
Es war ein sehr interessantes Thema für mich und ich freue mich, Frau Rausch kennengelernt und einen Einblick in ihre Arbeit bekommen zu haben. Ich denke, dass es mir, als junge alleinerziehende Mutter, aber auch alleinerziehenden Vätern, sicher auf die eine oder andere Art geholfen hätte.