Von  S. H.

Nach aktuellen Zahlen des Europäischen Statistikamtes Eurostat können in Deutschland über 3,4 Millionen Kinder nicht einmal eine Woche in den Urlaub fahren, weil ihre Familien von Armut betroffen sind. Ganz besonders betroffen hiervon dürften die 9177 Kieler Kinder und Jugendlichen im Alter von Null bis 15 Jahren sein, die Leistungen nach dem SGB II beziehen. Diese Kinder sind darauf angewiesen, dass ihnen die Stadt eine adäquate Infrastruktur für eine sinnvolle Freizeitgestaltung und Entwicklung anbietet.

Zwar wird während der „Kieler Woche“ von Stadt und Sponsoren auch für die jüngsten Kieler_ innen einiges getan – so gibt es z.B. Veranstaltungen auf der Krusenkoppel und beim Camp24/7. Aber wie sieht es in den restlichen 50 Wochen des Jahres aus? Wie kümmert sich unsere Landeshauptstadt in dieser Zeit um die Jüngsten? Unter diesem Aspekt haben wir uns die aktuelle „Bestandsaufnahme der öffentlichen Spielflächen 2015“ der Stadt Kiel etwas genauer angesehen.

Anzahl und Umfang

248 Spielplätze unterhält die Stadt demnach. Das hört sich erst einmal recht viel an. Die Spiel- und Bolzplätze müssen ja regelmäßig inspiziert, gereinigt, und, falls erforderlich, durch Neuanschaffungen in Schuss gehalten werden. Hierfür werden von der Stadt derzeit ca. 439.000€ pro Jahr ausgegeben. Nach dem aktuellen Haushaltsplan soll sich bis 2018 daran auch nichts ändern, zumindest ist nichts geplant.

Neun Quadratmeter sollen es pro Kind/Jugendlichen zwischen sechs und siebzehn Jahren sein. Dabei wird seitens der Stadt davon ausgegangen, dass ein Kinderspielplatz einen Einzugsradius von 300 m und ein Bolzplatz einen von 1000 m hat. Die aktuelle Spielplatzverteilung sehen Sie in nebenstehender Grafik. Vor dem Hintergrund dieser Angaben lohnt sich ein Blick auf die tatsächliche Verteilung der Spielplätze.

West und Ost

Den Zahlen zufolge hat ein Kind in Schilksee 51,90 m² Spiel- und Bolzplatzfläche zur Verfügung, das Kind in Neumühlen-Dietrichsdorf aber nur 4,72 m², also weniger als ein Zehntel der Fläche, die den Altersgenoss_innen auf dem Westufer zur Verfügung stehen. Auch in anderen Stadtteilen wie z.B. Gaarden, Meimersdorf oder Kronsburg werden die angepeilten neun Quadratmeter pro Kind bei weitem nicht erreicht. Da laut Haushaltsplan keine Mehrinvestitionen für den Bereich der Spielplätze geplant sind, wird sich an diesen Umständen bis 2018 vermutlich nichts ändern.

Anforderungen

Ganz prekär sieht die Situation aus, wenn wir die angebotenen Flächen mit der Menge der Kinder von Eltern im ALG-2-Bezug im jeweiligen Gebiet vergleichen. Lebten in Kiel-Schilksee (Stand 31.03.2016) gerade einmal 47 Kinder und Jugendliche mit SBGII-Bezug, so waren es in Neumühlen-Dietrichsdorf 746, in Gaarden-Ost 1.757 und in Mettenhof gar 2.514. Also müssen die Kinder, die besonders auf öffentliche Spielflächen angewiesen sind, mit weniger als einem Zehntel (direkter Vergleich zwischen Dietrichsdorf und Schilksee) der Altersgenoss_innen auf dem Westufer auskommen.

Ein Recht auf Spielplätze für schulpflichtige Kinder gibt es nicht, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Allerdings garantiert uns das Grundgesetz ein Recht auf Teilhabe, auch unseren Kindern. Zudem steht in der UN-Kinderrechtskonvention, die seit 1992 auch als deutsches Recht besteht, geschrieben:

Verteilung der städtischen Spielplätze in den Kieler Stadtteilen.

Verteilung der städtischen Spielplätze in den Kieler Stadtteilen.

Artikel 3
(1) Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.

Das tangiert auch die baulichen Vorschriften. Nach dem Bundesbaugesetz (BauGB) §1 Abs. 6 sind unter anderem explizit die Bedürfnisse der jungen Menschen hinsichtlich Sport, Freizeit und Erholung zu berücksichtigen. Und da Kinder besonders schutzwürdig sind, sollten gerade ihnen genügend Frei- und Spielräume zur Verfügung gestellt werden, auch in Neumühlen-Dietrichsdorf.

Aussichten

Angesprochen auf diese Situation bestätigt Frau Beate Goffin, Leiterin des zuständigen Amtes für Kinder- und Jugendeinrichtungen: „Während die zur Verfügung stehenden Flächen in vielen Stadtteilen weit über den erforderlichen Bedarf hinaus gehen, besteht in anderen Bereichen eher die Notwendigkeit, neue Flächen auszuweisen…“. In dem uns vorliegenden Antwortschreiben wird auch darauf hingewiesen, dass nach der Landesbauordnung private Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet sind, „Spielplätze in Sicht- und Hörweite von großen Wohneinheiten zur Verfügung zu stellen“. Das bezieht sich allerdings nur auf Plätze für nicht schulpflichtige Kleinkinder.

Durch die Hinzunahme der privat betriebenen Spielflächen gleicht sich die Anzahl der Spielplätze zumindest für die ganz Kleinen auf West- und Ostufer etwas an. Fraglich ist dabei jedoch, ob die Qualität der privat betriebenen Spielplätze mit der der öffentlichen vergleichbar ist. Dazu haben wir uns einige dieser privat betriebenen Spielplätze auf dem Ostufer angesehen. In der Infobox haben wir ausgewählte Spielplätze aufgeführt, welche die teilweise vorhandenen Qualitätsunterschiede zwischen privaten und öffentlichen Spielplätzen zeigen.

Im September 2016 wurde in der Stadt Kiel eine neue Stelle zur Spielraumplanung besetzt. Laut dem Kieler Amt für Kinder und Jugendeinrichtungen ist es beabsichtigt „für die Spiel- und Bolzplätze in der Landeshauptstadt Kiel ein stimmiges Gesamtkonzept zu erarbeiten, das nicht nur den aktuellen Flächenbedarf entsprechend der demographischen Entwicklung und soziale Indikatoren in den Blick nimmt, sondern auch die unterschiedlichen Bedarfe der einzelnen Altersgruppen berücksichtigt“. Wünschenswert wäre, dass diese ungleichen Zustände dann auch möglichst schnell aus der Welt geschaffen werden.

Infobox Spielplätze

Bei der Besichtigung der Spielplätze haben wir die DIN EN 1176 als Bewertungsgrundlage genommen. „Die europaweit geltenden EN-Normen 1176-1 bis 7 regeln die (sicherheits-)technischen Anforderungen an Spielgeräte bzw. deren sicherheitstechnische Prüfung, Inspektion und Wartung.“ (https://www.kieljournal.de/wp-content/uploads/din_en_1176-pdf.pdf)

Freizeitstraße Bergenring

Schöner, gut gepflegter, großer Spielplatz mit allem, was das Kinderherz begehrt. Viele Sitzgelegenheiten für die Eltern. Bolzplatz, Beachvollyballanlage und natürlich ein Sandkasten. Wir waren überrascht, einen derart guten und spielerisch interessanten Spielplatz zu finden. Besonders auffällig ist die Größe der Spielfläche. Hier können sich Kinder nach Herzenslust austoben, sich ausprobieren und ihre Grenzen kennen lernen.

Freizeitstraße Bergenring

Thorwaldsenpfad

Ein anderes Bild bietet der öffentlich zugängliche aber privat betriebene Spielplatz am Thorwaldsenpfad. Auf dieser ungepflegten Anlage stehen verrostete Klettergerüste, zerstörte Bänke und defekte, nicht mehr nutzbare Schaukeln. Dies sind definitiv Gefahrenquellen für Kinder. Auf diesem Spielplatz ist die Unversehrtheit der Kinder nicht gewährleistet.

Spielplatz Thorwaldsenpfad

Heikendorfer Weg

Kletternetz, Schaukel und zwei Wippen im großen Sandkasten. Besonders aufgefallen ist uns der Umstand, dass dieser Spielplatz in Neumühlen-Dietrichsdorf lediglich von den zwei Zugangswegen her einsichtig ist. Befindet sich also nicht gerade zufällig eine Aufsichtsperson auf dem Platz, sieht niemand, was da vor sich geht. Die den Spielplatz umgebenden Büsche und Sträucher sind ungepflegt, vermüllt und verdecken jegliche Sicht von außen. Im Notfall bekommt von außen niemand das Geschehen mit und kann somit keine Hilfe leisten.

Spielplatz Heikendorfer Weg

Forstbaumschule Feldstraße

Ein sehr gut ausgestatteter Spielplatz mit Spielgeräten, nicht nur für die Kleinen. Großzügige Anlage mit Volleyballnetz, Bolzplatz und viel Grün drum herum. Im Sommer ein beliebter Platz zum Grillen, Entspannen und Toben. Dieser Platz wird viel genutzt, da er sehr gute Spielmöglichkeiten hat. Kleine Aufsitzbagger, eine Netzschaukel, Schaukeln für Groß und Klein. Dieser Platz hat alles was es braucht und ist zudem sehr gut gepflegt.

Spielplatz – Forstbaumschule Feldstraße

Lüderitzstraße, zwischen Verdieckstrasse und Woermannsrtasse – Innenhof

Eine Rutsche, eine Schaukel, eine Wippe und eine Tischtennisplatte, eine Pferdeschaukel und nebenbei noch ein Sandkasten, mitten im Hinterhof umgeben von viel Gebüsch und Bäumen. Die Spielgeräte waren zwar nutzbar, aber mit vielen Ecken und Kanten, an denen sich Kinder verletzen könnten, insgesamt ein schlechter, mangelhafter Zustand. Bei unserem Besuch haben die Eltern auf der Tischtennisplatte gesessen, weil die Bänke zum Teil überwuchert waren. Zierde des ganzen war ein leerer Einkaufswagen mitten auf dem Platz. Hier wären Erneuerungen wünschenswert. Wer auch immer für diesen Platz die Verkehrssicherungspflicht hat sollte sich klar machen, dass hier eine Menge Gefahrenquellen bestehen. Die sicherheitstechnischen Anforderungen, wie sie in der DIN EN 1176 festgeschrieben sind, werden hier nicht erfüllt. Wir empfehlen Eltern, die hier ihre Kinder spielen lassen, sich an den Verantwortlichen zu wenden, damit diese Missstände behoben werden.

Spielplatz Lüderitzstrasse zwischen Verdieckstrasse

Gutenbergspielplatz

Ein Beispiel dafür, wie ein Spielplatz aussehen kann, bietet der Gutenbergspielplatz. Auf diesem Gelände befindet sich ein Jugendtreff mit zahlreichen Angeboten. Daher ist zeitweise die Beaufsichtigung der Kinder gewährleistet. Zu den vorhandenen, gut gepflegten Geräten sind noch weitere Ergänzungen in Planung (Aussage eines Jugendtreffmitarbeiters). Unter anderem steht dort eine funktionsfähige Wasserpumpe, die geradezu zum rummatschen einlädt. Auch ein kleiner Platz zum Basketball ist vorhanden. Der Gutenberg-Spielplatz ist ein einladender Platz, wie ihn sich viele Kinder auch auf dem Ostufer wünschen würden. Dieser Platz zeigt, was machbar ist, und was gemacht werden sollte.

Spielplatz Gutenbergstraße