Vielfalt und Unterschied

„Islam“ verstehen ist schwierig für eine/n Nichtmuslim_in, so er oder sie sich nicht näher damit beschäftigt. Der Glaube scheint recht vielfältig: Aleviten, Schiiten und Sunniten sind die wohl bekanntesten Glaubensrichtungen innerhalb dieser Religion. Zudem unterliegen sowohl Glaube als auch Religion verschiedenen Einflüssen kultureller, traditioneller, ideeller oder auch politischer Art.

Es gibt also nicht nur den Islam, sondern viele Glaubensgemeinschaften, die auf ihm basieren.

Ausdruck dieser Vielfalt sind in Kiel die Moscheen: zwölf an der Zahl. Üblicherweise gilt die Moschee als Zentrum einer Glaubensgemeinschaft und entsteht als autonomer „Moscheeverein“, der finanziell für Aufbau und Unterhalt sorgt. Ausgenommen davon sind die Ditib-Moscheen, die in großen Teilen vom türkischen Religionsministerium finanziert und gelenkt werden; in Kiel sind es fünf an der Zahl, denn hier ist der Anteil türkischer Muslime besonders hoch.

Die größte und auffälligste von ihnen ist die Große Moschee (Ulu Camii) gegenüber dem Howaldt-Tor – eine der Ditib-Moscheen, von deren Minarett der Muezzin täglich zum Mittagsgebet ruft. Die vielleicht schönste ist die Habib-Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde in der Flintbeker Straße. (Bild)

Nicht jeder Moscheeverein hat eine eigene Moschee, und meist liegen die Moscheen völlig unauffällig, bestehen nur aus einem Gebetsraum oder befinden sich in einer kleinen Halle. „Gebet“ in ihnen ist Regel, aber kein Schwerpunkt. Nur die wenigsten Muslime beten fünfmal am Tag in der Moschee.

Die Syrische Gemeinde in Kiel

Bei unseren Recherchen über die religiöse Vielfalt in unserer Stadt sind wir auf die syrische Gemeinde in Kiel und Umgebung e.V. (SG-KI) aufmerksam geworden.

Die Gemeinde wirkt religiöser Radikalität auf völlig unpolitische Weise und interreligiös entgegen. Ihr gehören Christen an, Muslime, Kurden, Deutsche – und natürlich Syrer. Allerdings beschränkt sich die Gemeinde nicht nur auf integrative Aufgaben, sondern wirkt sozial über den Rahmen der Gemeinde hinaus (wie im letzten Winter mit einer Aktion zugunsten Kieler Obdachloser), bietet Hilfen und Betreuung an und hilft bei der Bildung. So werden zum Beispiel nicht nur Deutschkurse für Flüchtlinge angeboten, sondern auch Arabischkurse für syrische Kinder, die in Deutschland geboren wurden und kein Arabisch können. Ausserdem ist geplant Arabischkurse für Deutsche anzubieten, wofür sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits viele Interessent_innen gemeldet haben.

Herr Rawad Zyadeh, Vorsitzender des Vereins, hat uns einiges zu der Entstehung der SG-KI e.V. erzählt. Bei dem persönlichen Gespräch in den Räumlichkeiten des Vereins, welche sich in der Zentralen Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten befindet, waren auch viele andere Interessierte anwesend. Schon hier wurde die Vielfalt und Offenheit des Vereins deutlich: Unter den Zuhörer_innen befanden sich sowohl Frauen als auch Männer, unter ihnen Moslems, Christen und Jesiden.

Es wird derzeit in Schleswig Holstein und bundesweit viel über Geflüchtete geredet. Sie haben aber laut Herrn Zyadeh selbst nur wenig Gelegenheit zur Mitsprache. Aus diesem Grund ist die SG-KI e.V. von syrischen Geflüchteten vor nicht einmal einem Jahr gegründet worden. Am 25. November 2016 fand die Gründungsversammlung statt, bei welcher die Satzung verabschiedet und der Vorstand gewählt wurde. Einige Tage später, am 5. Dezember 2016, stellte Herr Zyadeh den Verein bei dem „Kongress Offene Gesellschaft“ vor, welcher von der Partei Bündnis 90/Die Grünen veranstaltet wurde.

Seitdem konnte die SG-KI e.V. mehr als 100 Mitglieder gewinnen, darunter auch Deutsche. Sie sieht Integration nicht als alleinige Aufgabe des Staates und der aufnehmenden Gesellschaft, sondern auch jedes einzelnen nach Deutschland kommenden Menschen. Dabei ist das Ziel der SG-KI e.V. die Hilfe zur Selbsthilfe.

Was tut die SG-KI e.V. ?

Dazu bietet sie verschiedene Hilfen an, unterstützt zum Beispiel bei dem Ausfüllen von Formularen, dem Bearbeiten von Post, beim Deutsch lernen oder bei der Bewerbung um Ausbildungs- und Hochschulplätze. Als Zielgruppe nennt sie dabei alle Menschen, die Unterstützungsbedarf haben. Auch unterstützt sie Obdachlose. So nahm die SG-KI e.V. an der Hilfsaktion für Kieler Obdachlose am 21. Januar 2017 teil und bot verschiedene syrische Gerichte an. In ihrem Sitz beim Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten e.V. (ZBBS) bietet sie regelmäßig arabische Nachhilfe für deutsche Grammatik, Unterstützung und Beratung für Geflüchtete und ehrenamtliches Dolmetschen an.

Anfang Februar wurde dann „Das Dolmetschen- und Begleitungsprojekt“ ins Leben gerufen und konnte bisher über 25 ehrenamtliche Dolmetscher_innen und etwa 35 Unterstützer_innen mit insgesamt über 290 Arbeitsstunden gewinnen.

Die SG-KI e.V. ist auch weiterhin auf der Suche nach ehrenamtlichen Dolmetscher_innen, die Arabisch oder Kurdisch als Muttersprache haben und über gute Deutschkenntnisse verfügen (mindestens B2). Von ihnen wird erwartet, Personen bei  unterschiedlichen Terminen (beim Arzt, in Krankenhäusern oder Behörden etc.) zu helfen, indem sie Arabisch bzw. Kurdisch –Deutsch und umgekehrt dolmetschen.

Alle, die sich im Rahmen der SG-KI e.V. engagieren möchten, können sich auf der Internetseite des Vereins den Aufnahmeantrag ausdrucken. Unter www.sg-ki.de gibt es auch noch einige weitere Informationen über die Aktivitäten und den Zweck des Vereins.

Meine Meinung zum Islam:

Seit gut vierzig Jahren gehört der Islam zu Deutschland. Vier Millionen Moslems leben unter uns – bis vor kurzem relativ unauffällig und „unbemerkt“ – als Busfahrer_in, Arzt oder Ärztin, als Handwerker_in oder Student_in.

Der Islam ist Glaube und Religion, nicht Kirche – vergleichbar mit dem Christentum, das auch keine Kirche ist und sich, ebenso wie der Islam, in viele Religionsgemeinschaften splittet. In diesem Sinne gehört der Islam genauso zu Deutschland, wie das Christentum – genauso wie Juden, Hindus und jede andere offene Religion auch.

Religion grundsätzlich kann Halt bedeuten, in der Fremde sogar Teil der Identität sein. In diesem Sinne beispielsweise „brauchen“ Flüchtlinge ihre Religion dringender als wir die unsere, denn sie haben durch Flucht einen Teil dieser Identität zurück lassen müssen. Nun gilt es, sie hier wieder neu aufzubauen. Doch Widerstände, Ablehnung oder Ausgrenzung können dabei in die Radikalität führen.