Paradies für Pferde und Reiter

Mein Pferd ist mein TherapeutSchleswig-Holstein gilt als das Pferde- und Reiterland schlechthin. Es ist nicht nur so, dass mit dem Holsteiner eine besonders im Springreiten erfolgreiche Pferderasse von hier kommt. Auch bei Freizeitreiter_innen ist das Land besonders beliebt. Dies zeigt sich darin, dass Schleswig-Holstein mit 33 Pferden pro 1000 Einwohnern – etwa 92.500 insgesamt – die höchste Pferdedichte in ganz Deutschland aufweist. Nicht zuletzt liegt das wahrscheinlich an den weiten, unbebauten Flächen, den Wäldern und den Stränden, die sich allesamt hervorragend für einen gemütlichen Ausritt eignen. Allerdings kann man unsere Landschaften auch wunderbar mit dem Fahrrad oder zu Fuß erkunden, was zum Beispiel vor Diskussionen mit Jagdpächtern oder Förstern in nicht als Reitwege ausgewiesenen Gebieten schützt. Aufgrund fehlender Kosten für Stellplatz, Futter, Hufschmied oder Tierarzt wäre es auch viel günstiger. Warum nehmen so viele also diese Strapazen auf sich und erkunden unser Land auf dem Rücken der Pferde?

Für Körper und Geist

Vertrauensübungen mit Askari

Vertrauensübungen mit Askari

Der Umgang mit allen Tieren tut dem Menschen gut und hat eine beruhigende Wirkung, senkt erwiesenermaßen Herzfrequenz und Blutdruck, wirkt aber auch aktivierend. „Gerade im Altenheim habe ich das erlebt“, sagte uns Christina Wessels, Reittherapeutin in Schwentinental. „Wenn man mit einem Hund ins Zimmer kommt, können die Leute auf einmal viel mehr, weil sie den Hund anfassen möchten.“
Warum dann also mit dem Pferd die Gegend erkunden, und nicht mit dem Hund?

Auch wenn es für Außenstehende nicht so aussieht: Reiten ist durchaus eine sportliche Betätigung, nicht nur für das Pferd. Neben verschiedenen Stützmuskeln werden beim Reiten der Gleichgewichtssinn und unterschiedliche Bewegungsabläufe trainiert. Um das Pferd und sich selbst nicht falsch zu belasten, muss Körperspannung aufgebaut und gehalten werden. Das ist durchaus anstrengend und trägt zu einer gesunden Körperhaltung bei.
Doch nicht nur der Körper profitiert von dem Umgang mit dem Pferd, auch die Psyche und das eigene Verhalten werden gefördert. Man nimmt sich selbst und das eigene Handeln mitsamt der eigenen Körpersprache viel bewusster wahr. Das Pferd reagiert entsprechend unserer Gestik, der gesamten Körperhaltung und natürlich der Stimme, insbesondere Tonfall und Lautstärke.
Man lernt, selbstbewusster aufzutreten, konzentriert zu arbeiten und das auch mit einer gewissen Zielstrebigkeit. „Das Pferd ist natürlich ein sehr großes Lebewesen, es ist respekteinflößend. Dadurch hat es einen sehr großen Einfluss auf das Selbstbewusstsein“, erklärte uns Frau Wessels.
Sie berichtete uns von Mädchen „die relativ unsicher sind“, aber nachdem sie das große Pferd selbstständig dazu gebracht hätten, in die gewünschte Richtung zu gehen, seien sie auf einmal zehn Zentimeter größer.
„Und das ist natürlich ein ganz großer Unterschied. Es ist einfach ein viel größeres Lebewesen“, so Wessels.

Mein Pferd ist mein Therapeut

Hufpflege

Hufpflege

Aber ob nun mit Reittherapeut_in oder nicht, es gilt:
Das Reiten und Pflegen eines Pferdes hat immer eine positive Wirkung. Und ja, dazu gehört auch die Arbeit rundherum ums Pferd, das heißt: Putzen, Misten, Füttern etc.
Wenn man einen harten Tag hinter sich hat oder auch einfach nur ein bisschen Stress loswerden muss, kann vor allem das Misten für Entspannung sorgen, aber natürlich auch der Umgang mit dem Tier selbst. Der Stress ist nicht sofort verflogen, aber er baut sich durch die körperliche Betätigung und das beruhigende Wesen des Tieres schnell ab.

Allerdings kann das Medium Pferd auch gezielt zu Therapiezwecken eingesetzt werden. „Das schöne dabei ist, dass der Mensch mit dem Tier umgeht und therapiert wird, ohne es zu merken. Es ist gerade für die Menschen, die den ganzen Tag mit Therapie umgeben sind, eine tolle Sache, weil sie gar nicht das Gefühl haben, dass sie therapiert werden. Sie sind einfach ein ganz normaler Mensch, sie gehen ganz normal mit dem Tier um, und sie reiten. Sie können in der Natur reiten, sie können in der Halle reiten und sie haben nicht das Gefühl, dass sie in dem Moment krank sind. Das ist eben das, was das Tier transportiert“, schildert uns die Reittherapeutin. Die Therapieformen, welche sie mit ihren speziell ausgebildeten Haflingern anbietet, sind dabei sehr vielfältig. Mit ihrer beruhigenden Wirkung eignet sich die Therapie mit Pferden besonders für Kinder mit ADHS, durch ihre Größe haben sie einen positiven Einfluss auf das Selbstbewusstsein des Menschen. Außerdem ist die Reittherapie für Menschen geeignet, die selbst nicht laufen können. „Wenn wir im Schritt reiten, dann wird unser gesamter Körper so bewegt, als würden wir ganz normal geradeaus gehen. Das ist natürlich bei Menschen, die nicht laufen können, ein ganz großer Vorteil, weil die ganze Muskulatur angesprochen wird und auch Hirnregionen wieder aktiviert werden, das heißt, auch ein Schlaganfallpatient kann davon total gut profitieren.“ Christina Wessels beschränkt sich nicht auf spezielle Krankheitsformen. „Grundsätzlich ist Reittherapie für jeden geeignet, der keine Pferdehaarallergie (…) oder massiv Angst vor Pferden hat.“ Neben diesen Einschränkungen hat die Reittherapie aber auf jeden Menschen positive Auswirkungen.

Hindernisse überwinden

Hindernisse überwinden

Nicht nur reiten

In den Therapieinheiten bei Frau Wessels wird die Zeit jedoch nicht nur auf dem Pferd verbracht. Auch alle Aufgaben, die vor und nach dem reiten anfallen, werden vom Klienten übernommen. „Eine Einheit von 40 Minuten beinhaltet das Pferd zu holen, das Pferd zu putzen, das Pferd reiten und wieder fertig machen und in den Stall zurückbringen.“ Das Pferd wird also nicht nur als Sportgerät genutzt, sondern auch die Bedürfnisse des Tieres kennengelernt und somit eine ganzheitliches Verhältnis hergestellt.

Eine Frage des Geldes?

Die Kosten für eine Einheit liegen hier bei 40,-€, diese Kosten werden allerdings nicht von der Krankenkasse übernommen. „Aber es gibt verschiedene Fördervereine, auch hier in Kiel, die (…) das ganze unterstützen, wenn eben ein bestimmtes Krankheitsbild vorhanden ist“, teilte uns Frau Wessels mit. Ihre Klient_innen betreffend ergänzte sie, sie alle hätten eine Pflegestufe und die Eltern würden das Geld dann im Zweifelsfall dort abzweigen.

Therapie ohne Therapeutin?

Wie bereits erwähnt, hat das Reiten auch schon von sich aus positive Auswirkungen. Das ganze ohne ausgebildete Fachkraft als Therapie nutzen zu wollen, wäre jedoch nicht zielführend, da so nicht angemessen auf die individuellen Probleme eingegangen werden kann. Wenn allerdings kein Krankheitsbild vorliegt, kann man sich auch ohne Therapeut_in von der Faszination Pferd fesseln lassen. Die Möglichkeiten hierfür sind vielfältig, und man muss sich nicht gleich ein eigenes Pferd kaufen. So gibt es in und um Kiel eine Vielzahl an Reitvereinen und –schulen, die ein umfangreiches und teilweise sehr günstiges Programm anbieten. Eine Stunde Voltigieren gibt es teilweise schon für fünf Euro. Auf den Internetseiten der Vereine findet man dazu weitere Informationen. Und wer etwas mehr möchte, kann über die einschlägigen „Kleinanzeigen“-Seiten im Internet auch eine Reitbeteiligung finden.

Christina Wessels mit Rico (links) und Askari (rechts)

Christina Wessels mit Rico (links) und Askari (rechts)

INFO

Reitangebote in Kiel

Vom Voltigieren bis zum Reitunterricht (Dressur + Springen):

Reitverein Rossgarten;
Meldorfer Str. 109, 24109 Kiel
– Voltigieren ab 5 €, Reitunterricht ab 15 €, Longenstunden ab 20 €

Reitverein Kiel – Mielkendorf e.V.;
Ihlkatenweg 4, 24247 Mielkendorf
– Reitunterricht ab 13,50 €

Kieler Renn – und Reitverein / Pferdesportzentrum Kiel;
Olshausenstr. 65-67, 24118 Kiel
– Reitunterricht ab 20 €, Longenstunden ab 20 €
– Therapeutisches Reiten

Für die Kleinen:

Rönner Ponyhof;
Familie Pries; Am Teich 13, 24145 Kiel
– Reiterferien, Klassenfahrten, Tageskinder, Kindergeburtstag
– Führpony ab 12 €, Waldausritt ab 12 €; Reitunterricht (nach Absprache)