„Ein HIV-Test hätte mir viel erspart!“

Regina, 58 Jahre – Buchhalterin in Rente

Keine „Abenteuer“, keine Drogen: Dass Regina HIV haben könnte, kam niemandem in den Sinn. Ihre Aids-Erkrankung führte zu bleibenden Nervenschäden. Kein Einzelfall: Bei Frauen wird HIV häufig übersehen. Die ganze Geschichte finden Sie auf www.kein-aids-fuer-alle.de

„Ein HIV-Test hätte mir viel erspart!“

Regina, 58 Jahre – Buchhalterin in Rente

Keine „Abenteuer“, keine Drogen: Dass Regina HIV haben könnte, kam niemandem in den Sinn. Ihre Aids-Erkrankung führte zu bleibenden Nervenschäden. Kein Einzelfall: Bei Frauen wird HIV häufig übersehen. Die ganze Geschichte finden Sie auf www.kein-aids-fuer-alle.de

Mit HIV kann man heute lange und gut leben – wenn man rechtzeitig von der Infektion erfährt und mit einer Behandlung beginnt. Doch viele Frauen und Männer wissen nicht, dass sie sich infiziert haben.

Vor 30 Jahren war eine HIV-Infektion meist tödlich. Seit Beginn der Epidemie Anfang der 1980er Jahre starben bis Ende 2016 weltweit ca. 39 Millionen Menschen an den Folgen von HIV/Aids, in Deutschland allein ca. 30.000 Menschen. HIV ist eine Abkürzung und bedeutet „Humanes Immundefizienz-­Virus“ (übersetzt: menschliches Abwehrschwäche-Virus). HIV schädigt das Immunsystem, so dass der Körper eindringende Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze oder Viren nicht mehr bekämpfen kann. Im schlimmsten Fall treten bestimmte lebens­bedrohliche Erkrankungen auf, zum Beispiel schwere Lungenentzündungen. Dann spricht man von Aids.

„Anderen soll es nicht so gehen wie mir!“

Maik, 43 Jahre – Diplom-Ingenieur und Testfahrer

Maik verdrängte sein HIV-Risiko – aus Angst vor den Folgen einer HIV-Infektion. Trotz dramatischer Symptome bot ihm kein Arzt einen HIV-Test an. Die Wende kam erst, als es fast zu spät war. Die ganze Geschichte finden Sie auf www.kein-aids-fuer-alle.de

„Anderen soll es nicht so gehen wie mir!“

Maik, 43 Jahre – Diplom-Ingenieur und Testfahrer

Maik verdrängte sein HIV-Risiko – aus Angst vor den Folgen einer HIV-Infektion. Trotz dramatischer Symptome bot ihm kein Arzt einen HIV-Test an. Die Wende kam erst, als es fast zu spät war. Die ganze Geschichte finden Sie auf www.kein-aids-fuer-alle.de

Heute kann man mit hochwirksamen Medikamenten ver­hindern, dass Aids ausbricht, und sogar den Virus so erfolgreich unterdrücken, dass er mit den derzeitigen Mess­methoden im Blut nicht mehr nachgewiesen werden kann. Das bedeutet, dass der Virus keine Organe mehr schädigen und eine Aidserkrankung nicht ausbrechen kann. Und was viele nicht wissen: Die Behandelten sind nicht mehr infektiös, wenn ihre Viruslast ein halbes Jahr unter der Nachweisgrenze liegt. Sie können also keine anderen mehr anstecken.
In Deutschland erkranken trotzdem jedes Jahr mehr als 1.000 Menschen an Aids. Zudem steigt die Zahl derer, die von ihrer Infektion nichts wissen und somit nicht behandelt ­werden können, seit 2006 stetig an. Schätzungen zufolge sind derzeit ca. 13.000–14.000 HIV-Infizierte nicht diagnostiziert und ­können potentiell den Virus weitergeben.

0/90/90/90 – bis zum Jahr 2020

Um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen und Hindernisse, die Menschen vom HIV-Test ab­halten, gezielt anzugehen, wurde im November 2017 vom Landesverband der Aidshilfen „Kompetenznetz AIDS in Schleswig-Holstein“ die Kampagne „Kein Aids für alle bis 2020 in Schleswig-Holstein“ gestartet.
Uli Manthey, Vorstands­vorsitzender der Aids-Hilfe Kiel, erklärt uns im Interview, dass die Ziele der Kampagne sich in der Formel „0/90/90/90 – bis zum Jahr 2020“ ausdrücken lassen.

%

Keine Diskriminierung

%

aller Menschen, die mit HIV leben, sind diagnostiziert

%

aller Menschen, die mit HIV ­leben, sollen in antiviraler Behandlung sein

%

aller Menschen mit HIV, die eine antivirale Therapie einnehmen, sollen unter der Nachweisgrenze sein und dauerhaft bleiben

0 = keine Diskriminierung

Angst vor Ausgrenzung und Zurückweisung sind ein häufiger Grund dafür, dass sich Menschen gegen einen HIV-Test entscheiden, denn immer noch wird hinter dem Rücken von Menschen mit HIV getuschelt, wenden sich Freunde ab oder erleben Beschäftigte Mobbing am Arbeitsplatz. Selbst wenn Vor­gesetzte offen und verständnisvoll reagieren, wünschen sie meist nicht, dass ihre Mitarbeiter_innen ihre Infektion gegenüber Kolleg_innen und Kund_innen offen machen.

Und auch im Gesundheitswesen werden Menschen mit HIV oft dis­kriminiert – gerade dort, wo sie am ehesten einen professionellen Umgang mit der Infektion erwarten: in Arzt- und Zahnarztpraxen, Krankenhäusern und Zahnkliniken etc. Häufig berichten Betroffene z.B., dass sie beim Zahnarzt­besuch nur den letzten Termin des Tages bekommen, mit der Begründung, die Gerätschaften, der Behandlungsstuhl oder das Behandlungszimmer müssen danach besonders gereinigt werden. Absurd angesichts der Tatsache, dass von anderen Patient_innen, die keine Kenntnis von ihren Infektionen haben, potentiell eine viel höhere Gefahr ausgeht.

Damit HIV-Tests selbstverständlich zur Gesundheitsvorsorge gehören und sich mehr Menschen testen lassen, ist es wichtig, dass Menschen mit HIV nicht mehr diskriminiert und ausgegrenzt werden.

90 = 90 % aller Menschen,
die mit HIV leben, sind diagnostiziert

Viel zu selten sprechen behandelnde Ärzt_innen ihre Patient_innen auf eingegangene sexuelle Risiken an oder raten ihnen zu einem HIV-Test. Oft ­kommen Ärzt_innen auch nicht auf die Idee, dass bei den Krankheitssymptomen ihrer Patient_innen HIV im Spiel sein könnte, und bieten deshalb keinen HIV-Test an. So wird oft erst im Aids-Stadium mit schweren Krankheitsbildern HIV ­diagnostiziert (sogenannte „Late-Presenter“). Die Botschaft der Kampagne lautet deswegen: Wer ein HIV-Risiko hatte, sollte sich testen lassen. Wer generell ein erhöhtes Risiko hat, sollte einmal pro Jahr zum Test gehen. Anonyme Testangebote werden z. B. von Gesundheitsämtern und den Aidshilfen angeboten.

90 = 90 % aller Menschen, die mit HIV ­leben,
sollen in antiviraler Behandlung sein

Für Krankenversicherte in Schleswig-Holstein bzw. Deutschland ist dies kein Problem. Allerdings gibt es auch hierzulande immer mehr Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht krankenversichert sind. Die Therapie­kosten sind zu hoch, um sie aus eigener Tasche zahlen zu können und so bleibt für diese Menschen der Zugang zur Therapie verwehrt. Die Folge sind Aids-Erkrankungen und weitere HIV-Infektionen, die durch Medikamente leicht verhindert werden könnten. Hier sollte nach Auffassung der Aidshilfen die Politik neue Lösungen schaffen, um auch diesen Menschen den Zugang zur HIV-Therapie zu ermöglichen.

90 = 90 % aller Menschen mit HIV, die eine antivirale Therapie einnehmen, sollen unter der Nachweisgrenze sein und dauerhaft bleiben

So kann die Infektion nicht mehr an andere weitergegeben werden.

Kein Aids in Schleswig-Holstein bis 2020
„Sieben Länder haben die ‚0-90-90-90-Ziele‘ bereits erreicht: Großbritannien, Schweden, Dänemark, Island, Botswana, Kambodscha und Singapur. Das östliche und südliche Afrika, West- und Zentraleuropa sowie Nord- und Südamerika sind laut UNAIDS auf einem guten Weg dahin.“, so berichtet Uli Manthey weiter. „Schleswig-Holstein und Deutschland müssen den Nachbarländern schnell folgen, damit es auch hier bei uns bis zum Jahr 2020 keine Menschen gibt, die neu an Aids erkranken.“

Seit über 30 Jahren: Aids-Hilfe Kiel e. V.

Seit 1986 setzt sich die Aids-Hilfe Kiel mit viel Herz und Engagement für die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit HIV/Aids und ihren Angehörigen, Partner_innen und Freund_innen ein. Neben 3 festangestellten Mitarbeiter_innen kann sie auf derzeit 38 qualifizierte ehrenamtliche Mitarbeiter_innen zählen, ohne die viele Angebote nicht möglich wären.
Ein Schwerpunkt ist die Beratung und Begleitung von Menschen mit HIV und Aids sowie ihres Angehörigen- und Freundeskreises. Neben rein medizinischen Fragen sind es meist begleitende Umstände wie z.B. psychische Probleme, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Drogenkonsum, migrationsbedingte Probleme etc., die die Klient_innen zur Aidshilfe führen. Im Rahmen der Patientenberatung und -betreuung arbeitet die Aids-Hilfe Kiel seit 1990 eng mit der Infektionsambulanz des Universitätsklinikums Kiel zusammen, wodurch hilfebedürftige Patient_innen schnell und unkompliziert die für sie erforderlichen Hilfen erreichen.
Ein unverbindliches Kennenlernen der Aidshilfe und deren Mitarbeiter_innen ist am „Offenen Donnerstag“ bei Kaffee, Kuchen und Gesprächen in den Räumen der Aidshilfe möglich. „Der Offene Donnerstag wird seit 1996 jeden Donnerstag – außer an gesetzlichen Feiertagen – in der Zeit von 15.00 bis 17.00 Uhr angeboten und nach wie vor gut angenommen“, berichtet Ute Krackow, eine der beiden Sozialarbeiter_innen der Aids-Hilfe Kiel.
Wer lieber telefonisch Fragen zu HIV, Aids und anderen ­sexuell übertragbaren Infektionen klären möchte, kann sich an die anonyme bundesweite Telefonberatung wenden. Die Mit­arbeiter_innen der Aids-Hilfe Kiel nehmen sowohl an dieser Telefonberatung als auch an der bundesweiten Online-­Beratung teil, bei der sich Ratsuchende im Einzelchat beraten lassen können (siehe Infobox weiter unten).
Kiel
Einmal im Monat bietet die Aids-Hilfe Kiel einen anonymen HIV-Schnelltest gegen eine Spende von 10 EUR in ­ihren ­Räumen an. Hier können auch Fragen zu HIV, zu Risiken oder „Safer Sex“ geklärt werden. Damit auch Berufstätige dieses Angebot wahrnehmen können, finden die Termine in den Abendstunden zwischen 18.30 und 20.00 Uhr statt und werden auf www.aidshilfe-kiel.de angekündigt. „Jeder HIV-Test ist heutzutage ein Gewinn: Wenn man heraus­findet, man hat es nicht, ist alles super. Wenn man es hat, ist es tausendmal besser, als es zu haben und es nicht zu wissen …“, erklärt Björn Ould, ebenfalls Sozialarbeiter der Aids-Hilfe Kiel, „… denn eine frühzeitige Therapie bedeutet in der Regel auch eine leichtere Behandlung und eine höhere Lebenser­wartung.“

Ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld der Aids-Hilfe Kiel ist die Prävention. Dazu zählen Infostände auf Festivals und Discoveranstaltungen, aber insbesondere auch die Prävention an Schulen. Seit 2001 ist sie mit ihrem Mitmach-Parcours „­Liebe, Sex und mehr …“ in Schulen und anderen Bildungsein­richtungen unterwegs. An verschiedenen Themenwänden zu HIV/Aids, anderen sexuell übertragbaren Infektionen, Kon­domen und Verhütung, etc. können Jugendliche, Heran­wachsende und junge Erwachsene (ab dem 8. Jahrgang) durch eigenes Ausprobieren, Mitmachen und Entdecken sich intensiv mit ihrer eigenen Sexualität, eventuellen Risiken und Schutzmöglichkeiten auseinandersetzen. In enger Zu­sammenarbeit mit der Aids-Hilfe Neumünster bietet die Aids-Hilfe Kiel den Mitmach-Parcour nicht nur in Kiel, sondern auch im weitläufigen Umland an. Sie erreichte 2016 so 53 Schulklassen bzw. 1.250 Schüler_innen. Der Mitmach-Parcours wird in letzter Zeit auch von Flüchtlingseinrichtungen für Gruppen von jungen unbegleiteten Flüchtlingen angefragt. Bei diesen jungen Menschen verschiebt sich oft die Pubertät, weil sie sich durch Krieg und Flucht nicht so ent­wickeln und wachsen konnten wie Gleichaltrige z. B. in un­serem Land. Das Präventionsangebot kann ihnen helfen, ihre Fragen und Unsicherheiten zu klären.

Auch nicht deutschsprachige Menschen sind in der Aids-­Hilfe Kiel herzlich willkommen und eine Beratung ist auch in Englisch möglich. Für alle anderen Sprachen ist ein_e ­Dolmetscher_in erforderlich, der/die jedoch bislang nicht von der Aidshilfe gestellt werden kann. „Wir würden uns freuen, wenn sich ehrenamtliche Übersetzer_innen bei uns melden würden, um auch in der persönlichen Beratung vor Ort mehr Sprachen anbieten zu können“, wünscht sich Uli Manthey.

Wer zunächst im Internet nach Informationen in seiner Heimatsprache sucht, findet unter der Adresse www.zanzu.de Wissenswertes zur sexuellen Gesundheit auf Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch, Arabisch, Farsi, Bulgarisch, Polnisch, Albanisch, Rumänisch, Spanisch und Niederländisch.

Eine anonyme Telefonberatung bietet das HIV-Center des Universitätsklinikums Frankfurt auf Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Thailändisch, Amharisch, Tigrinya, Oromo, Kisuaheli und Luganda an. Auf der Website ­www.helpline-online.de können Sie einsehen, an welchen Tagen in Ihrer Sprache Auskünfte gegeben werden.

Aids-Hilfe Kiel e.V.

Königsweg 19 · 24103 Kiel
Telefon 0431-5 70 58-0
www.aidshilfe-kiel.de
Mo. 10–13 Uhr · Mi. 13–16 Uhr · Do. 12–18 Uhr
Beratungszeiten nach Vereinbarung

Anonyme bundesweite
Telefon- und Onlineberatung
der Aidshilfen

Telefon 0180-33 194 11
9 ct./Min. aus dem deutschen Festnetz,
max. 42 ct./Min. aus deutschen Mobilfunknetzen
Mo.–Fr. 9–21 Uhr · Sa.–So. 12–14 Uhr
www.aidshilfe-beratung.de

Informationen
in anderen Sprachen

Informationen zur sexuellen Gesundheit
in deutscher Gebärdensprache sowie auf Deutsch, Englisch, Arabisch und 10 weiteren Sprachen.
www.zanzu.de

Anonyme Telefonberatung im HIV-Center des Universitätsklinikums Frankfurt auf Deutsch, Englisch und 10 weiteren Sprachen.
www.helpline-online.de

Text: Michael Oestreicher · Fotos (Regina & Maik): Deutsche Aids-Hilfe (DAH)/Johannes Berger