Eines vorneweg: Ich bin immer wieder begeistert vom Freilichtmuseum Molfsee. Sie lesen hier also keinen objektiven Bericht.

Der Eingang zum Museum

Der Eingang zum Museum

Inspiriert von den vielen Eindrücken bei meinem ersten Besuch, habe ich am Wochenende mit meinem 70-jährigen Vater aus Hessen noch einmal das Freilichtmuseum besucht. Eine der ersten Anlaufstellen war das Haus des Drechslers, in dem altes Spielzeug zu bestaunen ist. Schon von der Puppenstube mit dem kleinen Ofen ließ sich mein Vater derart faszinieren, dass ich ihn nur mit der Ankündigung weiterbewegen konnte: „Das gibt’s gleich noch in echt zu sehen.“

Systematisch haben wir dann alle auf dem Weg liegenden Häuser aufgesucht. Schwer beeindruckt hat uns die, in einem Haus für obdachlose Dorfbewohner, dargestellte Geschichte der deutschen Flüchtlinge Ende des zweiten Weltkriegs. Nach einigen weiteren Häusern und einer Begegnung mit dem Museums-Pfau sind wir an der Wassermühle angekommen, die uns den Rest gegeben hat. Obwohl mein rüstiger Vater noch geprahlt hatte, gerade erst den Brocken im Hartz bestiegen zu haben, war es wohl neben der körperlichen Belastung auch eine geistige Erschöpfung, die uns auf einer Bank rasten und die schöne Aussicht genießend den Rückweg planen ließ. Es gibt auf dem weitläufigen Gelände einfach sehr viel zu entdecken.

Hungrig sind wir in das Restaurant Drathenhof am Museumsdorf eingekehrt, das in einem ebenfalls historischen Ambiente kulinarische Spezialitäten aus Schleswig-Holstein serviert. Dass sich Besucher_innen ungefähr drei Stunden auf dem Gelände aufhalten werden, wie es auf der Webseite des Freilichtmuseums heißt, liegt nicht daran, dass man in dieser Zeit alle Sehenswürdigkeiten abgeklappert hätte, nein, die Besucher_innen werden überfordert von den vielen Eindrücken und sind nach spätestens der Hälfte der zu bestaunenden Exponate mental gesättigt. Ein mehrmaliger Besuch des Museums ist daher zu empfehlen.

Die Rundfahrt mit der Museumsbahn ist kostenlos

Die Rundfahrt mit der Museumsbahn ist kostenlos

Das 1965 eröffnete Freilichtmuseum Molfsee hat in einer 40 Hektar großen Kulturlandschaft über 60 historische Gebäude wiederaufgebaut, die im 16.-19.Jahrhundert in ganz Schleswig-Holstein standen. Das Mobiliar, der Hausrat und die Arbeitsgeräte in den begehbaren Häusern versetzen die Besucher_innen in vergangene Zeiten zurück und vermitteln eine Vorstellung vom damaligen Alltag. Viele freilaufende Tiere wie Hühner, Gänse, Schafe… untermalen das idyllische Gesamtbild. Mit der Buslinie 501 vom Bussteig C am Kieler ZOB ist das Museum schnell zu erreichen. Eintrittspreise und Veranstaltungstermine finden sie auf: www.schloss-gottorf.de/molfsee.

Bei meinem ersten Besuch im August sind wir zu zweit im Freilichtmuseum, um vom Handwerkertag zu berichten, der dort jedes Jahr stattfindet. Traditionelle Handwerke werden von ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen erhalten und präsentieren sich in und vor den Reetdachkaten den Besucher_innen und laden zum Mitmachen ein. Auf der Suche nach den Handwerkerständen landen wir immer wieder in Häusern, in denen keine Gewerke präsentiert werden, sondern die nur durch Ihre historische Erscheinung zum Verweilen und Besichtigen einladen. Dadurch vergeht die Zeit wie im Flug. Getröstet seien also die, die es nicht geschafft haben, alle Gewerke zu bestaunen, zumal Kinder und Erwachsene bei den ungefährlichen Handwerken mitmachen dürfen.

Der Bandreißer spaltet Weidenruten.

Der Bandreißer spaltet Weidenruten

Der Beruf der Bandreißer zum Beispiel ist zu gefährlich für Ungeübte. Diese Zunft erntet und spaltet mit scharfen Werkzeugen Weidenruten, um daraus Fassreifen für Butterfässer zu fertigen, die von der Hanse im ganzen Ostseeraum gehandelt wurden. „Eiserne Fassreifen konnte man nicht verwenden, da der Rost die Butter verderben lies.“ Mit dem Wetter haben wir Glück, aber das Event wird bei jedem Wetter gut besucht, und Kindertrauben versammeln sich vor den einzelnen Gewerken, während sich die Besucherströme auf dem großzügigen Gelände verteilen, um sich am Kettenkarussell mit dem Imbiss und den Sitzgelegenheiten wieder zu treffen.

Im Korbmacherhaus hat sich schnell eine kleine Besucherschlange gebildet als wir die Korbmacherin um ein kurzes Interview bitten. Kinder und Erwachsene flechten dort unter Anleitung kleine Körbchen. Die professionelle Korbmacherin mit einem Betrieb in Kiel und einem kleinen Laden im Museumsdorf bietet aber auch Flechtkurse an. Bei jeder Station stellen sich uns viele Fragen zu einer Welt ohne Autos und Smartphones und Fernsehen, und wir überlegen uns, sich vielleicht eines der historischen Handwerke als Hobby anzueignen.

Ehrfurcht einflößend sind die Spitzenklöppler_innen, die in kunstvoller Handarbeit Klöppelspitze fertigen, indem sie Holzstäbchen, auf denen Garn aufgewickelt ist, nach einer Mustervorlage, dem Klöppelbrief, übereinanderschlagen und so die Garne miteinander zu einem komplizierten Gewebemuster verknüpfen. Auch hier werden Kurse angeboten, und alle Handwerker_innen geben auf Nachfrage Wissenswertes zum Besten.

Spitzenklöppelarbeit

Spitzenklöppelarbeit

Meierei unter Dampf

Meierei unter Dampf

Der seltene Betrieb der Dampfmaschine in der alten Meierei, die seinerzeit ganz leise und laufruhig das Industriezeitalter eingeleitet hat, ist beeindruckend. Beim Quietschen, das an der Außenseite des Gebäudes zu hören ist, denken wir spontan: „Hey, da muss doch mal was geölt werden!“ Die nähere Betrachtung zeigt aber, es ist einzig der Dampf, der aus einem kleinen Rohr an der Außenseite des Gebäudes austritt und das Geräusch verursacht.

Die Maschine …

Die Maschine …

… und die Geräte, die sie im Nebenraum antreibt

… und die Geräte, die sie im Nebenraum antreibt

Nach einem aufregenden Tag mit viel Bewegung an der frischen Luft können bestimmt nicht nur wir gut schlafen. Wer plietsch ist, nimmt Sonntags neben den vielen Eindrücken noch ein frisch gebackenes Sauerteigbrot vom Steinofenbäcker mit, so wie wir.

Autor: Carsten

ORT

Freilichtmuseum Molfsee

Landesmuseum für Volkskunde
Hamburger Landstraße 97
24113 Molfsee

INFO

öFFNUNGSZEITEN UND pREISE

Informationen zu den Öffnungszeiten und Eintrittspreisen finden Sie auf der Internetseite des Freilichtmuseums Molfsee.

Freilichtmuseum Molfsee
Landesmuseum für Volkskunde
Hamburger Landstraße 97
24113 Molfsee

Bis die Saison 2018 beginnt, gibt es hier noch mehr Fotos zu sehen:

Text: Carsten · Fotos: Carsten, Bieniossek