Die Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungskatastrophen, Sturmschäden, Hitzewellen sind allgegenwärtig. 2015 haben sich mit dem Pariser Klimaabkommen 195 Staaten und die Europäische Union verpflichtet, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. In der Umsetzung bedeutet das, dass die EU bis 2050 CO2, d. h. klimaneutral, werden will.
Die Begrenzung der Erwärmung auf unter 2 Grad scheint zu gering und eher ein politisch motiviertes Ziel zu sein. Trotzdem ist es eine schwere Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen. Wir hinken den Zwischenzielen hinterher, auch hat sich noch nicht vollständig herauskristallisiert, mit welchen Technologien wir die Gesellschaft dekarbonisieren wollen. Ein möglicher Ansatz, um die Klimaneutralität zu erreichen, ist der grüne Wasserstoff. Diesem ist dieser Beitrag gewidmet ist.

Grüner Wasserstoff – Die Idee

Wasserstoff ist ein farbloses Gas. Die zugewiesene Farbe, steht für die Art und Weise, wie er erzeugt wird. Grauer Wasserstoff wird in der Industrie bereits verwendet.Mit einem Verfahren, dass Dampfreformierung heißt, wird er aus Erdgas gewonnen. Da CO2 als Abfallprodukt anfällt, ist er nicht klimaneutral. Grün soll ausdrücken, dass er mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Bei uns im Norden bedeutet das, hauptsächlich mit Windenergie. Die Idee ist, dass Wasser, natürlich kein Trinkwasser, denn das wäre nicht nachhaltig, in einer Elektrolyse mit grünem Strom, in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Der Wasserstoff kann dann gespeichert werden und für eine Rückverstromung genutzt werden, wenn gerade kein Wind weht. Er kann auch den Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr zur Verfügung gestellt werden.
Grüner Wasserstoff ermöglicht diese Sektoren zu koppeln und gemeinsam zu optimieren. So können alle Sektoren dekarbonisiert, gemeinsame Energiespeicher geschaffen und Energie eingespart werden.

Grüner Wasserstoff in Kiel

Welche Rolle kann Wasserstoff für Klimaschutz, Wärmeversorgung, Stromspeicherung, Mobilität und die Wertschöpfung in der Region Kiel spielen? Dieser Frage ist das Hystarter Projekt in Kiel nachgegangen.
Wertschöpfung ist wichtig. Eine Technologie muss am Markt konkurrenzfähig sein und langfristig ohne Fördermittel auskommen. Hystarter sieht für die Region Kiel Potentiale in der Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff, sowie in der Ansiedelung von Technologieunternehmen. Dabei reicht es nicht aus, Wasserstofftechnologien zu exportieren. Mit dem Umbau der Energiewirtschaft werden wir uns viele neue Geschäftsfelder erschließen. Regional soll eine eigene Wasserstoffindustrie entstehen und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch aufgrund der maritimen Infrastruktur könnte die Region Kiel zum Drehkreuz für die Erzeugung, den Import, die Speicherung und den Weitertransport von grünem Wasserstoff werden.
Das Ergebnis des Kieler Wasserstoffprojekts liegt seit Mitte 2021 als Konzept vor, realisiert werden erste Wasserstoff-Pilotprojekte frühsten 2024. Dafür bedarf es aber weiterer Fördermittel vom Bund.

Grüner Wasserstoff – Die Kritik

Im Prinzip können wir mit grünem Wasserstoff klimaneutral werden, wenn es da nicht mehrere Probleme geben würde:
Der Ausbau der Windenergie an Land ist ins Stocken geraten. Wir haben in Deutschland nicht genügend Kapazität, um unseren Bedarf an Grünen Wasserstoff zu decken. Um eine Wasserstoffwirtschaft zu betreiben, muss diese nicht nur regional, sondern global aufgebaut werden. Wir brauchen Partner und werden auf Importe angewiesen sein.
Bei Erzeugung, Speicherung und Transport geht viel von der ursprünglichen Energie verloren. Der Wirkungsgrad ist schlecht. Durch den hohen Verlust an Energie, ist das Ziel der Wirtschaftlichkeit schwer zu erreichen. Zudem ist Strom, auch grüner Strom, bei uns in Deutschland sehr teuer, da der Anteil von Steuern, Abgaben und Umlagen mehr als 50 % beträgt. Sofern diese nicht drastisch gesenkt werden, wird auch die Erzeugung von grünen Wasserstoff teuer. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland kann dadurch behindert werden. Statt von der Umstellung der Wirtschaft zu profitieren, ist es möglich, dass die Industrie in Länder abwandert, wo Wasserstoff billig produziert wird.
Kein Land auf der Welt betreibt derzeit eine Wasserstoffwirtschaft. Grüner Wasserstoff wird gerade intensiv erforscht. Im Kleinen erfolgreich. Ob diese Projekte auch skalieren, also ob sie auch im Großen funktionieren, ist noch unklar.
Nicht zu vernachlässigen: Wasserstoff ist ein hochreaktives Gas und hat hohes Gefahrenpotential.

Grüner Wasserstoff – Hype oder Innovation

Die EEG-Umlage für die Erzeugung von grünem Wasserstoff ist in der EU (teilweise) weggefallen. Obwohl der Preis regenerativer Energien durch Steuern, Abgaben und Umlagen bei uns weiterhin sehr hoch ist, ist die Erzeugung grünen Wasserstoff billiger geworden. Zukünftig erwarten Experten eine weitere Kostensenkungen. Zudem werden durch die Einführung und kontinuierlicher Steigerung der CO2-Bepreisung fossile Energieträger teurer. Dies und die Formulierung einer nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, in der sie grünen Wasserstoff fördert und als Schlüsselelement der Energiewende ansieht, hat einen Hype um Wasserstoff ausgelöst. Aber wird sich daraus eine Wasserstoffwirtschaft entwickeln?
Die Möglichkeit Wasserstoff zu erzeugen und als Energieträger zu nutzen, gibt es schon lange. Bahnbrechenden Fortschritt hat es in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben, insbesondere solche nicht, die die Kosten der Erzeugung drastisch reduziert hätten. Aufgrund des Bestrebens klimaneutral zu werden, werden weltweit Forschungsprojekte massiv gefördert. Durch Lerneffekte erhofft man sich, die Kosten zu senken. Eines dieser geförderten Projekte ist das innovativ Karlsruher Kopernikus-Projekt P2X. Dort wird synthetischer Kraftstoff hergestellt, der klimaneutral ist. Da mehrere Schritte zu einem kombiniert werden konnten, ist die Produktion sehr energieeffizient und hat einen hohen Wirkungsgrad. Dieses Wasserstoffprojekt gilt als aussichtsreicher Kandidat, grünen Wasserstoff auch bei noch einem moderaten CO2-Preis marktfähig zu machen.
Wirkungsgrad ist der entscheidende Faktor. Bei der Elektrifizierung ist er hoch, beim grünem Wasserstoff niedrig. Daher scheint der PKW-Bereich bereits verloren. Auch in anderen Sektoren wird es für den grünen Wasserstoff schwierig werden, sich als Schlusseltechnologie zu etablieren. Bei Bussen wird der Einsatz von Wasserstoff erprobt. Da hier eine Elektrifizierung möglich ist, scheint Kiel diese zu bevorzugen und hat jüngst Endstationen mit einer Ladeinfrastruktur ausgerüstet. Auch unser Küstenkraftwerk könnte auf die Verbrennung vom Wasserstoff umgerüstet werden. Statt Wasserstoff zu verbrennen, wird wahrscheinlich die Wärmepumpentechnologie zum Einsatz kommen.
Kurz gesagt: Immer dort, wo grüner Wasserstoff nicht alternativlos ist, wird er wegen seines geringen Wirkungsgrades Probleme haben, sich am Markt durchzusetzen. Aber dort, wo die Elektrifizierung versagt, wie bei Flugzeugen sowie Kreuzfahrt- und Containerschiffen könnte sich der Grüne Wasserstoff durchsetzen, insbesondere deshalb, da es derzeit kaum Alternativen gibt.

Schlusswort

Die Wissenschaft hat festgestellt, dass der Klimawandel nicht nur existent ist, sondern von den Menschen verursacht wird. Eine Erderwärmung von 1.5 Grad werden wir bereits in den nächsten Jahren erreichen. Um das 2 Grad Ziel nicht auch noch zu verfehlen, besteht dringend Handlungsbedarf. Wir müssen zuerst massiv in den Ausbau regenerativer Energien investieren, bevor wir darüber nachdenken können, grünen Wasserstoff zu erzeugen. Nur wenn wir selber eine Wasserstoffwirtschaft aufbauen, können wir auch wirtschaftlich davon profitieren.
Einige Länder halten Atomstrom als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Jüngst hat die EU angekündigt, Greenwashing betreiben zu wollen. Sie will Atomstrom und Erdgas als nachhaltig ansehen und diese Technologien fördern. Spanien, wie auch Deutschland halten am Atomausstieg fest und wollen mit grünem Wasserstoff klimaneutral werden. Ob er sich als eine Schlüsseltechnologie der Energiewende durchsetzen wird, hängt aber von vielen Faktoren ab. Nicht dieser Artikel, sondern allein die Zukunft wird beantworten, ob wir mit grünen Wasserstoff unsere Gesellschaft dekarbonisieren werden.

Text: misoki, Bilder, Illustration: misoki