Von M. H.
Heutzutage sieht man sie an fast jeder Kieler Straßenecke: Apotheken. Darunter gibt es Geschäfte, die auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblicken können. Zu den beiden ältesten gehören die Alte Rats-Apotheke in der Holstenstraße und die Hof Apotheke am Alten Markt.
Die Anfänge der Kieler Apothekengeschäfte lassen sich bis Anfang des 17. Jahrhunderts zurückverfolgen. Zuvor beschränkte sich der Berufsstand auf die Einrichtungen in den Klöstern mit den angeschlossenen Heilkräutergärten, wie es sie auch in Kiel gab, oder Medizin und Heilmittel wurden von fliegenden Kaufleuten angeboten, die natürlich nur zeitweilig zu den Markttagen in der Stadt waren.
1607 bekam der Pharmazeut Ulrich Ziegler vom Kieler Rat, der damals noch umfangreiche Rechte bei der Vergabe der Gewerbe besaß, das exklusive Privileg, in der Stadt die einzige ortsfeste Apotheke zu betreiben. Sie befand sich die ersten Jahre im sogenannten „Alten Tanzsaal“, einem Gebäude an der Ecke Markt und Dänische Straße, bis sie dann 1611 in die obere Holstenstraße, Hausnummer 5, umzog. Dort verblieb die Apotheke bis zu ihrer endgültigen Zerstörung im Bombenhagel im Mai 1944.
Nach dem Krieg zog das Geschäft an den heutigen Standort nahe der Holstenbrücke in der Holstenstraße 42-44 um. Jetzige Inhaberin ist Frau Ipsen-Steinweg, deren Vater bereits 1936 das alte Geschäft übernahm. Heute zeigt sich die Apotheke als modernes Dienstleistungszentrum, das neben der klassischen Medikamentenversorgung der Bevölkerung auch ein Labor zur Herstellung steriler Infusionen sowie das „Care-Center“ besitzt, das sich auf die umfassende Betreuung insbesondere von Mukoviszidose-Kranken spezialisiert hat.
Zur Zeit der Gründung der ersten Apotheke lag die Einwohnerzahl der Stadt bei etwa 3000, doch schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begann sich das Stadtgebiet entlang der „Vorstadt“, der heutigen unteren Holstenstraße, und dem späteren „Gängeviertel“, dem Kuhberggebiet, auszudehnen. Doch stand jetzt mit dem Dreißigjährigen Krieg eine schwere Zeit bevor, von dem Kiel vor allem durch die Einquartierung fremder Truppen und Plünderungen betroffen war.
Die Kieler Bevölkerung verlangte in diesen Zeiten eine zweite Apotheke für die Stadt, bekam aber von den Ratsherren keine Genehmigung dazu, schließlich waren die althergebrachten Privilegien der Rats-Apotheke in einer Urkunde festgeschrieben. Letztendlich setzte sich Herzog Friedrich III von Schleswig-Holstein-Gottorf (1597-1659) gegen den Rat durch und erteilte 1642 die Erlaubnis für die zweite Kieler Apotheke, die zunächst die Bezeichnung „Neue Apotheke“ trug. Dem damaligen Inhaber wurde ein Gebäude am Markt / Ecke Haßstraße zugewiesen, wo sich die 70 Jahre später umbenannte „Hof Apotheke“ noch heute befindet.
Bis in die Anfangsjahre des 19. Jahrhunderts verlief die Kieler Apothekengeschichte verhältnismäßig ereignislos, einen Schub gab es unter anderem durch die Gründung der Christian-Albrechts-Universität im Jahr 1665 mit ihrer medizinischen Fakultät.

Ansicht vom alten Markt mit Hof-Apotheke um 1860 (Haus mit Markiese) Foto: n.n., Repro, Stadtarchiv Kiel
Insgesamt blieb Kiel aber ein kleines Städtchen mit einer Einwohnerzahl von wenigen Tausend, das sich unter dänischer Kontrolle nur langsam entwickelte. Seit 1827 befindet sich die Hof Apotheke im Besitz der Familie Rüdel, deren
jetziger Inhaber Jan Hendrik Rüdel das Geschäft in sechster Generation fortführt. Das alte Gebäude wurde während der Kieler Neubauphase zum Ende des 19. Jahrhunderts erneuert. Dieser Bau ging wie auch die Rats-Apotheke bei dem bis dahin umfangreichsten US-Tagesangriff im Bombenhagel vom 22. Mai 1944 unter.
Mittlerweile ist die Hof Apotheke an ihrem angestammten Platz am Markt aus dem Kieler Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Das Geschäft selbst wurde in den vergangenen Jahren mehrfach modernisiert und zeigt sich trotz ihrer über 410-jährigen Firmengeschichte als Dienstleistungszentrum mit rund 30 Beschäftigten im neuen Glanz.
Mit der explosionsartigen Entwicklung Kiels ab 1864 durch den Herzug der preußischen, später kaiserlichen Kriegsmarine nach Ende der dänischen Herrschaft war auch der Bedarf an zusätzlichen Apotheken im nun ausufernden Stadtgebiet enorm. Die städtische Einwohnerzahl hatte bis 1864 auf 18.770 zugenommen, und es gab immer noch nur zwei Apotheken in der Innenstadt. Das änderte sich bereits 1865 mit Eröffnung der (heute nicht mehr existierenden) „Schwan-Apotheke“ in der Holstenstraße 91. Erst 1883 kam im damaligen Neubaugebiet an der Ecke Brunswiker und Bergstraße die „Kronen-Apotheke“ am heutigen Dreiecksplatz hinzu. Kiel erreichte um 1900 die Einwohnermarke von 100.000, nach zehn Jahren verdoppelte sich die Zahl bereits, und Dutzende neue Apothekengeschäfte entstanden in dem Ausmaß, wie die Stadt an Größe zunahm. Heute besitzt die Stadt knapp über 70 Geschäfte, zum Teil auch mit Filialen in den großen Einkaufszentren wie dem Sophienhof und dem Citti-Park.
Sowohl Alte Rats-Apotheke als auch die Hof Apotheke sind im Web zu erreichen, auf den Seiten wird ebenfalls auf die Firmengeschichte eingegangen.
Wer sich außerdem über die Apothekengeschichte informieren möchte, dem sei die spezielle Abteilung zum Thema in der Medizin- und Pharmaziehistorischen Sammlung der Universität, Brunswiker Straße 2, empfohlen. Unter anderem sind dort alte Apothekeneinrichtungen und –geräte zu sehen.