Zu unserem Interview wurde ich von einer jungen Frau empfangen, die mir von der ersten Minute an sehr sympathisch war. Schon vor dem eigentlichen Interview, beim Vorbereiten einer frisch gebrühten Tasse Kaffee, sprudelte es nur so aus ihr heraus und man hörte sofort, dass sie ihren Beruf mit Leib und Seele ausübt.
Der Laden

Annis Fahrradladen findet man am Jungfernstieg 21, auf dem Hinterhof, leicht zu erkennen an dem roten Logo, das über der Einfahrt hängt. Der Laden besteht aus einem kleinen Verkaufsbereich und einer Sitzecke, in der die Beratungsgespräche stattfinden. Das Wichtigste ist aber die Werkstatt, wo sie alle Montagearbeiten und Reparaturen für ihre Kund*innen erledigt.
Zurzeit arbeitet Anni zusammen mit einem Angestellten in ihrem Laden. Doch bevor es so weit war, gab es eine Menge Arbeit und Schwierigkeiten zu meistern. Da musste zuerst ein Businessplan erstellt werden, um das nötige Startkapital von der Bank zu bekommen und passende Räumlichkeiten wurden gesucht und gefunden. Die Räumlichkeiten wurden vorher von einem metallverarbeitenden Betrieb genutzt und es mussten mühsam schwere Maschinen entfernt und entsorgt werden. Große Löcher im Boden wurden geflickt, die Wände neu verputzt und gestrichen. Dank der vielen Freund*innen, die Anni dabei halfen, ging dass alles recht flott und ohne größere Probleme von statten. Jetzt sieht man von all den Arbeiten kaum noch etwas und der Laden sieht aus, wie man sich einen Fahrradladen mit Werkstatt halt so vorstellt.
Wer bei Anni ein Rad kaufen möchte, wird ehrlich und gut beraten. E-Bikes sucht man bei ihr vergebens, denn diesen Bereich überlässt sie gern den Leuten, die sich darauf spezialisiert haben. Auf die Frage, was sie von E-Bikes hält, antwortet sie: „Sicher sind E-Bikes eine tolle und auch hilfreiche Erfindung für Menschen, die nicht mehr ganz so fit sind oder auch einfach etwas bequemer von A nach B kommen möchten, aber sie sind auch wesentlich anfälliger und vor allem teurer als herkömmliche Räder. Bei einem Lastenfahrrad macht ein Hilfsmotor sicher noch Sinn, wenn man sein Kind oder schwere Gegenstände über längere Strecken transportiert, aber alles andere ist nicht mein Ding. Fahrrad ist Fahrrad und E-Bike ist E-Bike.“
Über Anni

Annika Koch, so der richtige Name, ist Jahrgang ’78 und als eine von vier Töchtern in Preetz aufgewachsen. Seit ihrem sechsten Lebensjahr ist sie eine leidenschaftliche Rennradlerin und Schrauberin und hat sich schon sehr früh für den Radsport interessiert. ’85 wurde sie sogar Landesmeisterin im Radsport.
Mit 17 machte sie ein Jahrespraktikum in einem Krankenhaus in Preetz mit anschließender Lehre zur Krankenschwester. Ihr Staatsexamen absolvierte sie in der Lübecker Uniklinik und arbeitete anschließend noch einmal drei Jahre als Krankenschwester in der Kieler Uniklinik. Durch die vielen Überstunden und den anhaltenden psychischen Stress forderte der Körper irgendwann seinen Tribut. Außerdem konnte und wollte sie die Zustände, die in der Krankenpflege herrschen, nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren und verließ die Uniklinik Kiel.
Bevor sie sich vor zwei Jahren als erste und zurzeit einzige weibliche Zweiradmechanikerin in Kiel selbstständig gemacht und auf Qualitätsräder spezialisiert hat, absolvierte sie ein Praktikum in einem Kieler Fahrradladen mit anschließender Umschulung in Hamburg. Darauf folgte eine Lehre zur Zweiradmechanikerin bei „Fahrradies – Rainer Jansen“, einem renommierten Fahrradladen und Reparaturservice in Kiel, den es aber inzwischen leider nicht mehr gibt. Anni hat ihren Job also von der Pike auf gelernt, was man bei ihren Beratungsgesprächen sofort heraushört. Sie ist eine echte Fachfrau und weiß, wovon sie redet. Qualität wird bei ihr groß geschrieben, aus dem Grund findet man auch überwiegend Markenräder in ihrem Laden. Ihr Reparatur-Service hingegen wird auch für Nicht-Markenräder sehr gewissenhaft und zu einem fairen Preis erledigt.
„Urlaub macht man von etwas, das man nicht mag““ war die Antwort, auf meine Frage: „Was tust du zur Entspannung, wenn der Tag mal 16 Stunden hatte oder du 14 Tage am Stück gearbeitet hast?“, was nach Annis Aussage durchaus keine Seltenheit ist.
Anni ist Perfektionistin, was ihren Job angeht und erledigt jeden Auftrag nach bestem Wissen und Gewissen. „Ich muss dem Kunden das Rad nach einer Reparatur mit gutem Gewissen übergeben können, sonst bin ich nicht zufrieden“, sagt sie.
Auf die Frage, worüber sie sich als Radfahrerin im Straßenverkehr am meisten ärgere, antwortete Anni: „Über die chronischen Nicht-Blinker, die dir einfach die Vorfahrt nehmen, wenn sie abrupt abbiegen. Da man meist kaum Zeit hat zu reagieren, führt das oft zu sehr gefährlichen Situationen“.
Die letzte Frage, was sie am Fahrradfahren am schönsten fände, beantwortet Anni wie aus der Pistole geschossen mit: „Den Wind und die Sonne auf der Haut zu spüren. Du kannst anhalten, wo immer du möchtest. Du tust Gutes für deinen Körper und die Umwelt. Du kommst in der Stadt viel schneller voran als mit dem Auto oder dem Bus und du kannst die Landschaft wesentlich besser genießen und kommst viel entspannter am Ziel an“.

Annis Fahrradladen
Inh. Annika Koch
Jungfernstieg 21
24103 Kiel
Tel.: 0431 – 97 99 31 30
Mail:
Homepage: https://annis-fahrradladen.de/
Öffnungszeiten
Mo geschlossen
Di bis Fr 12:00 – 19:00h
Samstag 12:00 – 18:00h
(und nach Vereinbarung)
Text/Gestaltung/Fotos: Helmut Joppek